Was ist Kunst und Bau?

Was bedeutet eigentlich Kunst und Bau? Das Gleiche wie Kunst am Bau oder Baukunst? Und wie unterscheidet sich Kunst im öffentlichen Raum?

Kunst-und-Bau-Objekte sind Kunstwerke, die für ein neu- oder umgebautes Bauwerk entwickelt wurden und mit diesem dauerhaft fest verbunden sind. Die „Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes“ beschreiben sie als „Kunstwerke in und an Gebäuden, für die Ausstattung einzelner Diensträume sowie in gärtnerischen Anlagen“. Ursprünglich entstanden ist „Kunst am Bau“ als staatliches Förderprogramm zur Unterstützung von Künstler*innen in den Nachkriegszeiten. Seitdem finanzieren Bund und Länder im Rahmen ihrer Bauvorhaben auch Kunstwerke über prozentuale Anteile an den Baukosten oder feststehende Kunst-und-Bau-Etats (Mehr dazu unter Historische Entwicklung). Projekte des Bundes wurden vor allem beim Ausbau Bonns zur Bundeshauptstadt sowie in Berlin nach der Wende umgesetzt, aber auch bei militärischen Einrichtungen, bei deutschen Botschaften im Ausland und anderen staatlichen Gebäuden. Projekte der Länder findet man an Hochschulbauten, Krankenhäusern, Schulen, Polizei- und Gerichtsgebäuden sowie Verwaltungs- und Kulturbauten. Auch in vielen Kommunen und bei privaten Bauherrn wurde das Prinzip der Kunst-und-Bau-Förderung als Selbstverpflichtung übernommen.

Diese Kunstwerke sind mehr als dekorativer Schmuck, der nachträglich an ein Gebäude angebracht wird. Darauf weist der Begriff „Kunst und Bau“ hin, der sich in den letzten Jahren etabliert hat und die Auseinandersetzung von Kunst und Architektur auf Augenhöhe deutlich macht. Er veranschaulicht zudem, dass Kunstwerke sich nicht nur „am“ Bau, sondern auch „im“, „auf“, „vor dem“ Bau usw. befinden können.

In Kunst-und-Bau-Projekten setzen sich Künstler*innen mit Zeit, Ort, Raum und Funktion auseinander. Im Dialog mit der Architektur stellen sie gesellschaftlich und künstlerisch relevante Fragen und geben Hinweise, die mit architektonischen Mitteln allein schwer vermittelbar sind. Bestenfalls werden Künstler*innen schon frühzeitig in den Planungsprozess einbezogen und arbeiten eng mit den Architekt*innen zusammen. So erzeugen Kunst-und-Bau-Projekte eine Vielschichtigkeit, die Gebäude lebendig werden und einzigartige Orte entstehen lässt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Baukultur und zur Identifikation mit dem Gebäude. Oft wirkt sie sogar ins Quartier, ins städtische Umfeld hinein. Die künstlerische Gestaltung von Bauten ist nicht nur ein Element der Künstler*innen- und der Kunstförderung, sie soll auch zur Qualität und Wertsteigerung der Gebäude beitragen.
So ist die Architektur des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen nicht ohne die Kunst von Yves Klein, Norbert Kricke oder Robert Adams zu verstehen und zu bewerten.

„Beim Bauen in der Gegenwart fehlen zumeist die fließenden Übergänge zwischen gestalterischen und technischen Gewerken. Arbeiten bildender Künstler erscheinen meist dekorativ davor gesetzt, nur wie Kunst 'am' Bau. 'Baukunst' hingegen entsteht dann, wenn sowohl die Ingenieure wie auch die bildenden und – im Falle eines Theaterbaus – ebenso die darstellenden Künstler sich gegenseitig über das gemeinsam zu schaffende Werk verständigen, abstimmen und nicht nur isoliert eigene Ziele im Auge haben. Daher sollten dem Planungs- und Bauleitungsteam stets alle am Bau beteiligten angehören […] Die Aufgabe des Architekten ist es, diese Integration zu bewirken.“

— Werner Ruhnau [1]

Kunst und Architektur sind immer Spiegel einer Gesellschaft, ihrer sozialen Situation, ihrer baulichen Möglichkeiten und ihrer kulturellen Verfasstheit. 

„Die Architektur hat bestimmte Funktionen zu erfüllen und ist von konstruktiven, bautechnischen, sozialen und ästhetischen Faktoren geprägt. Sie gibt Struktur und Ordnung vor. Die Kunst, die ganz andere Fragen stellt, die uns anregt, irritiert und erfreut, erzeugt ein Spannungsverhältnis, das die Menschen darüber hinaus zu bereichern vermag.“

— Renate Ulrich

 

Kunst-und-Bau-Objekte werten die Bedeutung von öffentlichen Gebäuden auf – mal auf unerwartete, vielleicht sogar irritierende Art, mal zur Stärkung der architektonischen oder funktionellen Bedeutung des Bauwerks. Gleichzeitig erfüllt „Kunst und Bau“ den gesellschaftlichen Auftrag, der im Sinn eines öffentlichen Gebäudes zu liegen hat. Der Bauherr wird so seiner Rolle als baukulturelles Vorbild gerecht und leistet einen Beitrag zur kulturellen Bildung. Denn Kunst-und-Bau-Objekte erreichen eine Öffentlichkeit jenseits des klassischen Kunstbetriebs, außerhalb von Museen und Galerien. Beschäftigte und Besucher*innen in Behörden, Patient*innen in Krankenhäusern oder Studierende an Hochschulen werden in ihrem Alltag mit Kunst konfrontiert und zu einer Auseinandersetzung mit ihr angeregt. Das kann die ästhetische Wahrnehmung schärfen, neue Perspektiven ermöglichen und die eigene Kreativität herausfordern. Auch kritische Diskurse sind durchaus erwünscht.

Im weiteren Sinne wird „Kunst am/und Bau“ auch für nicht-staatliche Projekte verwendet, die sich durch eine enge Verknüpfung von Kunst und Architektur auszeichnen. Bei privaten Bauvorhaben repräsentiert „Kunst und Bau“ Unternehmenskultur und gesellschaftliche Verantwortung. Als hochwertige Gestaltung der Arbeitswelt soll sie zudem die Mitarbeitermotivation stärken. 

Nicht zuletzt dienen Kunst-und-Bau-Projekte der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern. In der Regel werden Wettbewerbe ausgelobt, an denen Bauherr, Nutzer*innen, Architekten*innen, Künstler*innen und Kunstsachverständige beteiligt sind. Die Verfahren sind möglichst transparent und räumen auch dem künstlerischen Nachwuchs Chancen ein (Mehr dazu unter Wie entsteht Kunst und Bau?).

 

„Die künstlerische Gestaltung von Landesbauten ist nicht nur ein Element der Künstler- und der Kunstförderung, sie soll auch zur Qualität und Wertsteigerung der Gebäude beitragen. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Baukultur und zur Identifikation mit dem Gebäude und ggf. mit dem Quartier. Das Land als Bauherr wird so seiner Rolle als baukulturelles Vorbild gerecht.“

— Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen: Erläuterungen zum Kulturfördergesetz NRW, 2014

Im Gegensatz zu Kunst im öffentlichen Raum finden Kunst-und-Bau-Projekte auch auf privaten Geländen oder in halb- bzw. nichtöffentlichen Räumen statt, etwa in nicht frei zugänglichen (Innen-)Bereichen staatlicher Gebäude. Beispielhaft ist DIEDRITTEDIMENSION von Markus Linnenbrink im Besuchertunnel der JVA Düsseldorf. Andererseits können auch Kunst-und-Bau-Objekte auf den öffentlichen Raum wirken, sofern sie im einsehbaren Außenraum platziert sind, wie der Fünfflüger von Jörg Wiele vor dem Amtsgericht Mettmann.

Während sich Kunst-und-Bau-Objekte explizit mit dem Ort und dessen Funktion auseinandersetzen, reagiert Kunst im öffentlichen Raum nicht unbedingt auf den spezifischen Ort bzw. die Architektur.

Sie wird nicht vom Bund oder den Ländern über staatliche Baubetriebe finanziert (Ausnahmen sind Hamburg und Bremen als Stadtstaaten), sondern durch Kommunen, Stadtbürgerschaft, unternehmerisches Mäzenatentum, Kunst- und Kulturinstitutionen, Schenkungen und Leihgaben von Künstler*innen. Die temporäre oder dauerhafte Bespielung des öffentlichen Raums durch Künstler*innen ist dabei nicht allein Gestaltungsaufgabe, sondern auch Bestandteil des kulturellen Lebens oder touristisches Angebot (z. B. Skulptur Projekte Münster). Im Gegensatz dazu geht es bei Kunst und Bau insbesondere um eine intensive Auseinandersetzung der vom Bauherrn ausgewählten Architekten*innen und Künstler*innen.

 

Quellen

  1. Werner Ruhnau, Ludwig Baum (Hrsg.): Baukunst – Yves Klein, Robert Adams, Paul Dierkes, Norbert Kricke, Jean Tinguely – Das Gelsenkirchener Theater. Gelsenkirchen 1992, S. 5