Die Tanzgruppe (Tanz)

NRW Forum, Düsseldorf

Nach Jahrzehnten wieder sichtbar: Nauens Tanzgruppe tanzt erneut am Ehrenhof zwischen Zacken, Farben und Geschichte.

Kunst
Künstler*inHeinrich Nauen
Entstehungszeit1925–1926
1937 (Zerstörung)
1947 (Aufstellung/Installation)
1952–1954 (Restaurierung)
1967–1968 (Restaurierung)
MaterialGlasmosaik, keramischen Tesserae
Technikdirekt auf den Außenpavilion aufgebracht
Maße(H x B): 5,5 m x 10,5 m
Kosten17.500,00 Mark
Bau
AdresseEhrenhof 2
40479 Düsseldorf
StandortSüdseite, Eckpavillon des NRW Forums (ehem. Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde) im Ehrenhof Düsseldorf
Route in Google Maps
Zugänglichkeit

Wegen Baufälligkeit mit einem Bauzaun abgetrennt. Dennoch gut aus der Ferne betrachtbar.

Karte
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Freiheit in Farbe: Die Tanzgruppe von Heinrich Nauen

Die Tanzgruppe von Heinrich Nauen ist ein lebendiges Zeugnis der künstlerischen Erneuerung der 1920er Jahre und prägt bis heute die Fassade des NRW-Forums in Düsseldorf. Das großformatige Wandmosaik, zusammengesetzt aus Tausenden schimmernder Mosaiksteine, zeigt vier anmutig bewegte Figuren, die sich im Tanz begegnen – festgehalten in einer Choreografie, die den Rhythmus der Moderne in Stein bannt.

Entstanden um 1925/26 im Zuge der künstlerischen Ausgestaltung des Ehrenhof-Ensembles für die GeSoLei (Große Ausstellung für Gesundheit, soziale Fürsorge und Leibesübungen), spiegelt Nauens Arbeit das Ideal eines neuen Menschenbildes: frei, körperbewusst, dynamisch. Tanz, Bewegung und Sport standen sinnbildlich für Aufbruch und Fortschritt – Gedanken, die sich in Nauens expressiven Linien, der leuchtenden Farbigkeit und den fließenden Figuren wiederfinden. Neben Die Tanzgruppe gestaltete Nauen für benachbarte Gebäude weitere Mosaike, darunter Rhein als Träger der Schönheit und Rhein als Träger des Lebens, die die enge Verbindung von Natur, Stadt und Kunst im Ehrenhof betonen.

Nur wenige Jahre später gerieten Werke wie Die Tanzgruppe in den Fokus der Nationalsozialisten. Heinrich Nauen, damals Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, wurde als Vertreter der Rheinischen Avantgarde diffamiert und seine Kunst als „entartet“ gebrandmarkt. Viele seiner Werke verschwanden aus Sammlungen oder wurden übermalt und zerstört. Auch Die Tanzgruppe war Jahrzehnte lang verborgen – überputzt und dem Blick entzogen.

Erst 1947 wieder freigelegt und mit einer behutsamen Restaurierung (1952-1954 sowie erneut 1967/68) wurde die Verkleidung zurückgebaut – und heute tanzen Nauens Figuren wieder: zwischen geometrischen Zacken, kräftigen Linien und farbigen Bahnen scheinen sie die Wände in Bewegung zu versetzen. Das Mosaik wird so zu einer Mahnung an die Zerbrechlichkeit künstlerischer Freiheit – und zugleich zu einem Bild bleibender Lebendigkeit.

Zwischen Fortschritt und Form

Das NRW-Forum Düsseldorf ist Bestandteil des historischen Ehrenhof-Ensembles, das 1926 nach Entwürfen des Architekten Wilhelm Kreis für die Ausstellung "GeSoLei" (Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen) errichtet wurde. In direkter Nachbarschaft zum Museum Kunstpalast und der Tonhalle gelegen, markiert das Forum einen der fünf symmetrisch angeordneten Baukörper, die sich rund um das zentrale Wasserbassin des Ehrenhofs gruppieren.

Die Architektursprache der Anlage zeichnet sich durch Monumentalität und klare Gliederung aus. Die Fassaden bestehen aus rötlichem Ziegelmauerwerk, das in rhythmischen Abständen mit Muschelkalk-Sockeln strukturiert ist.

Das heutige NRW-Forum beherbergte ursprünglich das Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde, das im Jahr 1928 eröffnet wurde. In der Folge wurde das Landesmuseum Volk und Wirtschaft eingerichtet, das sich bis in die 1990er-Jahre hinein mit der Thematik der Wechselwirkungen zwischen Mensch, Technik und Gesellschaft befasste.

Nach einer Phase der Schließung wurde das Gebäude im Jahr 1998 einer umfassenden Sanierung unterzogen und mit einem neuen Nutzungskonzept als NRW-Forum Kultur und Wirtschaft wiedereröffnet. Die Trägerschaft wurde anfänglich von einem Netzwerk aus Land, Stadt, Messe und Wirtschaft übernommen, das sich für einen innovativen Ausstellungsbetrieb einsetzte.

Seit dem Jahr 2015 agiert das Haus unter der Bezeichnung "NRW-Forum Düsseldorf" und repräsentiert seither zeitgenössische Positionen in den Bereichen Fotografie, Popkultur und digitale Praktiken. Das Forum hat sich durch Festivals wie den Meta Marathon oder Formate wie Planet B als Laboratorium für gesellschaftliche Zukunftsfragen etabliert. Dabei ist stets der Dialog mit dem architekturgeschichtlichen Erbe zu berücksichtigen.

Das NRW-Forum vereint demnach Vergangenheit und Gegenwart in einem Bauwerk, das selbst Teil der Geschichte ist, da es als Zeugnis der Reformarchitektur der Weimarer Republik und als Bühne für die Diskurse unserer Zeit dient.

Galerie
Vita

Heinrich Nauen wurde 1880 in Krefeld geboren und begann seine künstlerische Ausbildung 1896 bei dem Kirchen- und Dekorationsmaler Wilhelm Pastern. Es folgten Studienjahre an den Kunstakademien in Düsseldorf, München und Stuttgart, zuletzt als Meisterschüler von Leopold von Kalckreuth. Prägende Jahre verbrachte Nauen von 1902 bis 1905 im belgischen Sint-Martens-Latem im Kreis um George Minne, später führte ihn ein Paris-Aufenthalt an die Académie Julian.

Ab 1906 lebte er in Berlin, war Mitglied im Deutschen Künstlerbund und der Berliner Sezession und fand über Begegnungen mit Emil Nolde und Walter Kaesbach zu einer eigenen expressiven Bildsprache. Ab 1911, nach dem Umzug ins niederrheinische Dilborn, entwickelte Nauen eine unverwechselbare Handschrift, in der die Farbe zum zentralen Ausdrucksträger wurde. Wichtige Werke wie seine monumentalen Wandbilder für Burg Drove entstanden in dieser Zeit.

1919 gehörte er zu den Gründern des Künstlerbundes Das Junge Rheinland in Düsseldorf. 1921 folgte er einem Ruf als Professor an die Kunstakademie Düsseldorf. Für die Gebäude am Ehrenhof schuf er Mitte der 1920er Jahre drei bedeutende Mosaike, darunter Der Tanz am heutigen NRW-Forum.

1937 wurde Nauen von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert und verlor seine Lehrberechtigung. Er zog sich nach Kalkar zurück, wo er bis zu seinem Tod 1940 ein stilles, von Harmonie getragenes Spätwerk schuf.

Weitere Informationen
LinksHeinrich Nauen - Biografie
Kunstwerke am Ehrenhof - Eine Übersicht
NRW Forum
RP-Online - Heinrich Nauen entdecken
Quellen- Tavernier, Ludwig, "Nauen, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 761-762 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11873816X.html#ndbcontent - Friederike Schuler, Im Dienste der Gemeinschaft – Figurative Wandmalerei in der Weimarer Republik, Marburg 2017 «Die Recherchen in den Archiven der grossen Firmen, die in der Weimarer Republ[…] - Barbara Til, «Das Nützliche mit dem Schönen durchdringen…». Glasfenster und Mosaiken der Düsseldorfer Zeit, In: Heiser et al. (Hg.), Johan Thorn Prikker, Düsseldorf 2011, S. 214–231 - Dehio Nordrhein-Westfalen I (Rheinland), 2005; S. 299-301