Fensterband

St. Johannes der Täufer

Gottfried Böhms St. Johannes der Täufer: Die Verschmelzung von Architektur und Kunst als Gesamtkunstwerk.

Kunst
Künstler*inGottfried Böhm
Entstehungszeit1962–1965
MaterialAntik-, Strukturglas, Blei
TechnikSchmiedeeisenrelief
Maße1,70 m hoch, 119 m lang
VerfahrenBeschränkter Wettbewerb
Bau
AdresseJoseph-Selzmann-Straße 20
Köln
Bauzeit1962–1965
Architekt*innenGottfried Böhm
BauherrLand Nordrhein-Westfalen
StandortFensterband umlaufend
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Gesamtkunstwerk oder Kunst und Bau?

Kirchenbauten werden oft übersehen, wenn die Rede von Kunst und Bau ist. Sie gehörte immer schon zu besonders kunstvollen Bauvorhaben. Kunstwerke in Kirchen sind häufig nicht nur dekorativ, sondern auch symbolisch, und dienen der religiösen Bildung und Andacht. Sie sind integraler Bestandteil der sakralen Architektur und Liturgie. Kunst-und-Bau-Objekte werden meist in einem eher säkularen Kontext gesehen und dennoch ist die intensive Auseinandersetzung mit Ort und Raum, Inhalt und Funktion der Bauaufgabe immer ein zentrales Element. Wann also kann man von Kunst und Bau sprechen?

Bei Gottfried Böhms St. Johannes der Täufer stellt sich diese Frage beispielhaft. Gottfried Böhm ist vor allem als renommierter Architekt skulpturaler Betonkirchen bekannt geworden. Darüber hinaus genoss er aber auch eine Ausbildung zum Bildhauer - Buchstäblich ein Künstlerarchitekt.

Der Sakralbau St. Johannes der Täufer

Mitte der 1950er Jahre wurde der Bau einer Klinikkirche für die Patientenseelsorge auf dem Gelände der Universitätsklinik Köln beschlossen. Gottfried Böhm gewann den 1958 ausgeschriebenen und auf sechs Architekten beschränkten Wettbewerb. Zwischen 1962 und 1965 wurden die Kirche und das angrenzende Cellitinnen-Kloster nach seinen Entwürfen errichtet.

Von außen erscheint die Kirche monolithisch und verschlossen. Die Betonfassade des kubischen Saalbaus wird im unteren Drittel durch ein umlaufendes Fensterband aufgebrochen. Die dunkle Farbgebung bleibt dezent und passt sich der hellgrauen Betonstruktur an. Schmiedeeiserne Metallarbeiten mit dornigen Rankenmotiven ziehen sich wie eine schützende Zeichnung über die Glasflächen.

Die besondere Gestaltung des Faltwerkdachs bleibt von außen weitgehend verborgen, nur das Schattenspiel der Wasserspeier deutet auf die ungewöhnliche Architektur hin. Im Inneren der Kirche spannt sich eine gefaltete Decke über den Raum, die eine leichte, fast origamiartige Struktur aufweist. Der Raum selbst wird durch zylindrische Beichtstühle und einen eingesetzten Kubus, der als Kapelle und Sakristei dient, gegliedert. Sichtbeton prägt den Charakter des Innenraums.

Böhms Glaskunstwerk

Das umlaufende Fensterband der Kirche St. Johannes der Täufer zählt zu den bedeutendsten Glaskunstwerken von Gottfried Böhm.

Böhm vereinte Elemente der informellen Kunst mit denen einer geometrischen Abstraktion, die an den Konstruktivismus erinnern. Die Symbole und Schriftzüge stehen für die 15 Stationen eines Kreuzweges. Die Gestaltung kombiniert rechteckige und organisch-filigrane Formen. Bei aller Abstraktion fügt Böhm konkrete Darstellungen christlicher Ikonografie ein, die den Leidensweg Christi veranschaulichen. Die spitzen verschlungenen Enden einer Dornenkrone, Kreuze und Hände sind von einer starken Plastizität, die gefährlich in den Raum greifen.  

Böhm kombinierte für die Fensterkonstruktion Antik- und Strukturgläser sowie geripptes Industrieglas. Ein umlaufender roter Streifen am oberen Rand der Fenster zieht sich durch den gesamten Kirchenraum und mündet in die rot lodernde „Osterfeuer“-Verglasung am Kirchenportal.

Eine Glasarbeit zeigt ein besonders persönliches Element: Das Porträt von Böhms Mutter Maria, die im Jahr der Fertigstellung der Kirche, 1965, verstarb.

Neben Gottfried Böhm, der auch den Altar und den Ambo entwarf, waren weitere Künstler an der Gestaltung beteiligt. Eva Burgeff schuf die Tabernakeltür, während Hans Lückerath für die Metallarbeiten verantwortlich war.

Gottfried Böhms St. Johannes der Täufer bietet ein Beispiel dafür, wie Architektur und Kunst zu einem kohärenten Ganzen verschmelzen können. Als federführender Künstlerarchitekt plante Böhm Architektur und bildkünstlerische Ausstattung der Kirche St. Johannes der Täufer als einheitliches Programm, die sich bedingen. Diese intensive Auseinandersetzung mit Ort und Raum, Inhalt und Funktion der Bauaufgabe ist ein zentraler Aspekt von Kunst-und-Bau-Werken. Im Fall von St. Johannes der Täufer lässt sich jedoch auch nicht leugnen, dass Böhms Werk die Grenzen des eigentlichen Kunst-und-Bau-Ansatzes überschreitet und somit zu einem Gesamtkunstwerk wird

Galerie
Vita

Gottfried Böhm, geboren am 23. Januar 1920 in Aachen und verstorben am 9. Juni 2021 in Köln, war ein bedeutender deutscher Architekt, der vor allem für seine innovativen Kirchenbauten und seine markante architektonische Sprache bekannt ist. Böhm entstammte einer Architektenfamilie; sein Vater, Dominikus Böhm führte ihn früh in die Welt der Architektur ein.

Er absolvierte eine Bildhauerausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München. Während des Zweiten Weltkriegs und in den folgenden Jahren, als zivile Bauaufträge rar waren, nutzte Böhm seine Fähigkeiten in der Gestaltung von Kirchenfenstern, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Nach seinem Architekturstudium an der Technischen Hochschule in München, das er 1950 abschloss, begann Gottfried Böhm seine Karriere mit dem Bau von Kirchen und anderen öffentlichen Gebäuden. Seine Werke zeichnen sich durch eine ausdrucksstarke Formsprache aus, die oft mit robusten Materialien und einer markanten, skulpturalen Ästhetik spielt. Böhm war bekannt für seine Fähigkeit, traditionelle Elemente mit modernen, oft experimentellen Konstruktionen zu verbinden.

Gottfried Böhm erhielt für seine Leistungen zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Pritzker-Preis für Architektur im Jahr 1986 und den Deutschen Architekturpreis.