Res Nullius
Justizzentrum Bochum
Künstler*in | Johannes Wald |
Entstehungszeit | 2017–2018 |
Material | Bücher, gerahmte Druckplatten, Vitrinen, Fotografien |
Technik | Installation, Druck, Fotografie |
Verfahren | jurierter, beschränkter Wettbewerb unter fünf eingeladenen Künstler*innen |
Kosten | 135.000 € |
Adresse | Josef-Neuberger-Straße 1 44787 Bochum |
Bauzeit | 2008–2017 |
Architekt*innen | Hascher Jehle Architektur |
Bauherr | BLB NRW Dortmund |
Standort | Atrium, Korridore, Wartebereiche Route in Google Maps |
Zugänglichkeit | während der Gebäudeöffnungszeiten zugänglich. Kontakt und Informationen |
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Das Justizzentrum in der Bochumer Innenstadt vereint unter einem Dach Land-, Amts- und Arbeitsgericht sowie die Staatsanwaltschaft und den ambulanten Sozialen Dienst. Der Komplex umfasst sechs zusammenhängende Baukörper, die in einer höhengestaffelten Mäanderstruktur drei Höfe umschließen. Der größte dieser Höfe ist das viergeschossige Atrium mit seinem gläsernen Sheddach, der als zentraler Erschließungsraum fungiert. Eine großzügige Freitreppe markiert den Eingang. Über die offene Struktur aus Galerien und Freitreppen gelangen täglich rund 750 Beschäftigte und 900 Besucher zu den 40 Gerichtssälen, zum Bürgerservice des Amtsgerichts oder zur Kantine.
In den Wartebereichen liegt hier und da ein gelbes Büchlein, scheinbar achtlos von einem Besucher vergessen. Erst beim genaueren Hinschauen wird ersichtlich, dass es sich bei der vermeintlichen Fundsache um einen Teil eines ungewöhnlichen Kunst- und-Bau-Projekts handelt. „Mein Ziel war es, für das Justizzentrum Bochum eine Arbeit zu entwickeln, die sich in den Köpfen der sich dort aufhaltenden Menschen abspielt, die flüchtig und leicht ist, sich aber wie eine Wolke über das gesamte Gebäude legt und jeden Moment eine andere Form annimmt.“ So beschreibt der Künstler Johannes Wald sein Konzept für „Res Nullius“ („Niemandes Sache“, ein Begriff aus dem römischen Recht).
In Kooperation mit dem Reclam Verlag ließ er fünf Klassiker der deutschen Literatur neu auflegen – Werke wie Kafkas „Der Prozess“ und „Die Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff, die sich mit Fragen zu Recht und Gerechtigkeit auseinandersetzen. Sie sind wie beiläufig im Atrium platziert, mal auf einem Stuhl, mal auf dem Treppengeländer. Nicht nur ihr Inhalt stellt die Finder vor eine moralische Aufgabe, auch die Frage nach dem „rechtmäßigen“ Umgang mit dem scheinbar herrenlosen Gegenstand konfrontiert sie mit den eigenen Vorstellungen von Eigentum, Recht und Anstand. Zugleich setzt der Fund Interaktionen zwischen den Wartenden in Gang: Auf der Suche nach dem Eigentümer entstehen Gespräche mit der Sitznachbarin oder dem Mitarbeiter am Infotresen.
Für das insgesamt 135.000 Euro teure Projekt wurden jeweils 10.000 Exemplare der fünf Titel gedruckt, die nach Schätzungen des Künstlers für mehrere Jahrzehnte reichen dürften, selbst wenn gelegentlich eines der Bücher abhandenkommt. Nachschub ist in Spendern verfügbar, aus denen die Beschäftigten neue Hefte entnehmen und im Wartebereich platzieren sollen. Indem er die Mitarbeiter so am Erhalt des Projekts beteiligt, will Wald auch die Identifikation mit dem Kunstwerk erhöhen.
Der konzeptionelle und partizipative Ansatz überzeugte in dem Kunst-und-Bau-Wettbewerb, der erst wenige Monate vor der Fertigstellung des Gebäudes ausgeschrieben wurde. Die Arbeit, so das Urteil der Jury, „aktiviert auf eine komplexe und Besucher/innen und Mitarbeiter/innen einbeziehende Weise in einem offenen Prozess die Auseinandersetzung mit dem juristischen Raum (nicht nur dem architektonischen, sondern auch dem diskursiven)“. Hinweise im Buch sowie Vitrinen mit Druckplatten und Erläuterungstexten in den Obergeschossen des Atriums entschlüsseln das Rätsel um die Herkunft der Bücher. Teil des Projektes sind auch die Fotografien von Maximilian Meisse, die auf subtile Art die Auffindesituationen dokumentieren. Sie hängen in unterschiedlichen Bereichen des Justizzentrums an den Wänden und sind auch als Postkarten verfügbar. So ist die Arbeit im ganzen Haus dauerhaft präsent.
Johannes Wald, geboren 1980 in Sindelfingen, lebt und arbeitet in Berlin. Der Konzeptkünstler und Bildhauer studierte von 2002 bis 2009 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und war von 2007 bis 2009 Meisterschüler bei Harald Klingelhöller. Unterstützt wurde er durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie ein Auslandstipendium und Debütantenförderung seiner Hochschule. 2013 erhielt er den Ernst-Rietschel-Kunstpreis der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.