Platzgestaltung / NEUBAU WITTEN

Saalbau Witten

Glänzende Edelstahlröhren und rote Bänke bilden eine kommunikative Zone vor dem Wittener Saalbau. Die Platzgestaltung aus den 1970ern ist seit 2021 Experimentierfeld der städtebaulichen Planung.

Kunst
Künstler*inGerlinde Beck
Kollektivplease don't touch
Entstehungszeit1975
2021
MaterialEdelstahl, Farbbeschichtung, Licht
MaßeHöhe der Röhren: 520 cm
Bau
AdresseBergerstraße 25
58452 Witten
Bauzeit1972–1975
Architekt*innenRolf G. Neuhaus, Hochbauamt der Stadt Witten
BauherrStadt Witten
StandortVorplatz
Route in Google Maps
Karte
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Ein Kulturzentrum für Witten

1966 begannen in Witten die ersten Vorplanungen für ein neues Kultur- und Veranstaltungszentrum; drei Jahre später richtete das Hochbauamt den „Saalbaustab“ ein, der unter der Leitung von Rolf G. Neuhaus Entwurf und Realisierung der Mehrzweckhalle verantwortete. Aufgrund unvorhergesehener Kostensteigerungen wurde der bereits fertiggestellte Plan 1971 noch einmal überarbeitet. Ende 1972 begannen die Bauarbeiten, im September 1975 wurde die Eröffnung gefeiert. Der Bau liegt am Rande der Innenstadt zwischen Bahnhof und Stadtpark auf dem Gelände der 1925 geschlossenen Zeche Franziska, auf dem bis 1978 auch das neungeschossige Parkhotel errichtet wurde.

Die einzelnen Funktionsbereiche des Saalbaus sind auf polygonalem Grundriss ineinander verschachtelt und in der Höhe gestaffelt. Über das große Foyer gelangt man auf die umlaufenden Galerien, von denen der Zugang zu den beiden Veranstaltungssälen erfolgt: dem Theatersaal mit Bühne und rund 800 Sitzplätzen sowie dem Festsaal, der 1000 Personen Platz bietet. Diese Umgänge setzen sich außerhalb der Mauern in einem zum Vorplatz ausgerichteten Balkon fort, dessen helle Brüstung die Fassade horizontal gliedert.

Kommunikative Platzgestaltung

Im Rahmen des Baus entstanden mehrere Kunstwerke. In der Grünanlage hinter dem Saalbau wurden drei Edelstahl-Plastiken von Volkmar Haase aufgestellt. Den Vorplatz gestaltete Gerlinde Beck. In der Mitte der Fläche platzierte sie sechs 5,2 Meter hoch aufragende Edelstahlröhren mit rotem Kern, der durch runde Aussparungen sichtbar wird. Aus zwei Stelen ragen „Fühler“ heraus, die sich als Sitzgelegenheiten in den Raum verlängern. In Farbe und Form ähnliche Bänke schließen sich an und bilden als „Bandauslagerungen“ mit der Röhrengruppe ein Fünfeck. „Sie werden in der Ruhezone als Sitzbänke benutzt und dienen im Durchgangsbereich als Abgrenzung gegeben den Fahrbereich. Licht und Leuchten unterstreichen das Kulturzentrum als ‚Treffpunkt‘“, beschreibt die Künstlerin ihre Intention. Sie greift die Winkel der Architektur auf und lässt die Sitzbänder vertikal und horizontal in verschiedenen Varianten abknicken.

Der Kunstkritiker Günther Wirth versteht die Sitzelemente als „Platzklammern“, die Kunst und Funktion verbinden. Beck wolle „Kunstrealität herstellen, in aller Öffentlichkeit versteht sich. Genau das hat sie in Witten in bemerkenswerter Weise erreicht: eine Kunstrealität, die menschliche Kommunikation erzeugt. Nur so wird künstlerische Platzgestaltung sinnvoll, erfolgt sie den humanen Zweck.“ (Beck 1990, S. 9)

Experimentierfeld und partizipativer Raum

2021 entwickelte das Szenografiestudio please don’t touch Gerlinde Becks Konzept einer kommunikativen Platzgestaltung unter dem Titel NEUBAU WITTEN weiter. „NEUBAU WITTEN ist ein partizipativer Ort, der die Zivilgesellschaft aktiv in die zukünftige Entwicklung der Kultureinrichtungen einbeziehen wird.“ Die Röhrenskulptur wurde mit einer 360°-Bühne umgeben, die Farbe und Form der Sitzbänke aufgreift. Sie wird temporär vom Kulturforum Witten bespielt, ist aber bewusst auch öffentlich zugänglich. Zwei Container können flexibel genutzt werden, beispielweise als Ausstellungsraum oder temporäre Bar. Ergänzend dazu entstand ein Bepflanzungskonzept, das „die Ansätze eines eher naturnahen Präriegartens mit denen eines Naturgartens, der einem natürlich gewachsenen Raum ähnelt“, verbindet. Als temporäres Experimentierfeld in der Phase 0 der städtebaulichen Planung sollen so unterschiedliche Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung des Platzes erprobt werden.

Galerie
Vita

Gerlinde Beck, geboren 1930 in Stuttgart-Bad Cannstatt, lebte und arbeitete bis zu ihrem Tod 2006 in Baden-Württemberg. Sie absolvierte eine Feinblechner-Lehre und studierte an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Karl Hils, Gerhard Gollwitzer, Willi Baumeister und Peter Otto Heim.

Neben Malerei und Grafik schuf Gerlinde Beck zahlreiche Werke im öffentlichen Raum, überwiegend aus Metall. 1972 begann sie ihre Arbeit an der Klangstraße, die im Jahr darauf erstmals in Heilbronn ausgestellt wurde: eine Reihe von Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien, mit denen Musiker wie Karlheinz Stockhausen und Klaus Hinrich Stahmer Klänge erzeugten. Das Zusammenspiel aus Kunst, Raum und Akustik bezeichnete die Künstlerin selbst als „Raumchoreographie“. In Nordrhein-Westfalen realisierte Gerlinde Beck neben der Platzgestaltung am Wittener Saalbau Kunst-und-Bau-Projekte an der Schule Weststraße in Duisburg-Beeck (1973) und der Berufsschule Krefelder Straße in Duisburg-Rheinhausen (1977/1979). Ihre 1969 entstandene Säulenwand aus sechs Edelstahlröhren ist seit 1978 im Park des damaligen Museums am Ostwall (heute Sitz des Baukunstarchivs NRW) in Dortmund zu sehen.

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