Ohne Titel (Farbgestaltung)

Amtsgericht Lemgo

Mit Farbflächen und grafischen Mustern an der Fassade und im Innenraum schuf Gerhard Hausmann das charakteristische Erscheinungsbild des ostwestfälischen Gerichtsgebäudes.

Kunst
Künstler*inGerhard Hausmann
Entstehungszeit1974–1978
TechnikMalerei
VerfahrenDirektauftrag
Bau
AdresseAm Lindenhaus 2
32657 Lemgo
Bauzeit1974–1978
Architekt*innenKurt Wiersing, Wilfried Brinkmann, Staatshochbauamt Detmold
BauherrStaatshochbauamt Detmold
StandortWand- und Deckenflächen in Fluren, Treppenaufgängen und Eingangshalle, Supraporten der Aufzüge sowie Ostfassade
Route in Google Maps
Zugänglichkeit

Fassade vom öffentlichen Raum sichtbar, Innenräume beschränkt zugänglich. Kontakt und Informationen

Karte
Um diesen Inhalt ansehen zu können, müssen Sie die Cookies für externe Medien aktivieren.
Klicken Sie hier, um die Cookie-Einstellungen zu öffnen.
Nachkriegsmoderne statt Weserrenaissance

Das Gebäude am Lindenhaus ist bereits der vierte Sitz des 1879 gegründeten Amtsgerichts Lemgo. Zunächst im Rathaus untergebracht, erhielt es 1922 einen eigenen Neubau, der jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg zu klein wurde, sodass das Gericht von 1963 bis 1978 in ein ehemaliges Schulgebäude umzog. Durch eine Justizreform wuchs der Zuständigkeitsbereich und damit auch der Raumbedarf. 1974 stellte die Kreisverwaltung schließlich einen Teil des Lindenhofes, einer historischen Parkanlage am Weserrenaissance-Schloss Brake, als Baugrund zur Verfügung. Der Entwurf stammt vom damaligen Leiter des Staatlichen Hochbauamts Detmold Kurt Wiersing und dessen Mitarbeiter Wilfried Brinkmann.

Der 1978 eröffnete Bau und seine innere Gestaltung stehen seit 2021 unter Denkmalschutz. Zur Begründung wurde unter anderem angeführt, dass der Bau die demokratische Erneuerung der Justiz symbolisiere und – typisch für die Nachkriegsmoderne – nicht mehr die furchteinflößende Monumentalität historischer Gerichte vermittele oder eine hoheitliche Macht demonstriere, sondern Offenheit und Öffentlichkeit betone. Das Gericht wollte sich bürgernah zeigen; für Beschäftige und Besucher*innen sollte eine möglichst angenehme, freundliche Atmosphäre geschaffen werden. Um dies zu erreichen, wurde der auf Lichtführung und Raumwirkung spezialisierte Künstler Gerhard Hausmann, der unmittelbar zuvor die Eingangshalle der Hochschule in Lemgo gestaltet hatte, schon früh in die Planungen einbezogen.

Kunst für eine demokratische Architektur

Das Gerichtsgebäude erstreckt sich auf Y-förmigem Grundriss in leichter Hanglage. Die Stahlbetonskelettkonstruktion aus Fertigbauteilen wurde mit dunkelbraun eloxierten Leichtmetallplatten verkleidet. Der südliche und der östliche Flügel sind als dreigeschossige Riegel ausgebildet, während die Fassade des nördlichen Teils eine Faltung aufweist, die im Osten durch eine auffällige Wandgestaltung betont wird. Gerhard Hausmann reagierte hier auf Farbe und Formen der Architektur und setzte einen gezielten Kontrapunkt. Wie ein Fries zieht sich seine Arbeit über alle sechs Flächen der mehrfach „geknickten“ Fassade. Die untere Kante setzt unmittelbar auf dem vorgelagerten Saaltrakt auf, oben und seitlich bilden die dunklen Metallplatten einen Rahmen. Hausmanns abstraktes Bild nimmt die orthogonalen Linien des Fassadenrasters auf und bricht sie zugleich durch mosaikartig angeordnete Dreiecke und Rauten auf. Grün, Rotbraun und Blau in zarten Verläufen sind die dominanten Farben der flächigen Malerei, die landschaftlich anmutet und so einen Bezug zur umgebenden Grünanlage herstellt.

Im Inneren setzte Hausmann die künstlerische Gestaltung in der Eingangshalle, den Fluren und den Treppenhäusern fort. Er entwickelte ein Leitsystem und fasste die Beton-Wände und Decken je nach Lage in unterschiedlichen kräftigen Farben. Die Grundrissgestaltung und die Farbgebung der Flure tragen zur Vermeidung langer Raumfluchten bei. Über den Aufzugtüren und an den Stützen der Hallen im Erdgeschoss und im Obergeschoss kombinierte Hausmann geometrische Flächen zu grafischen Mustern, die durch Farbverläufe teilweise dreidimensional wirken.

Galerie
Vita

Gerhard Hausmann, geboren 1922 in Chemnitz, lebte und arbeitete ab 1947 bis zu seinem Tod 2015 in Hamburg. Von 1940 bis 1941 studierte Hausmann Maschinenbau an der Akademie für Technik in Chemnitz. Nach Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft besuchte er von 1947 bis 1952 die Landeskunstschule (heute: Hochschule für Bildende Künste) Hamburg. Zu seinem künstlerischen Werk zählen Gobelins, Wandfresken und Glasfenster, vor allem für Sakralbauten. Er setzte sich intensiv mit der Wirkung von Licht und Farbe auf Räume auseinander und schuf in Zusammenarbeit mit Architekten Gutachten und Farbkonzepte. Seine Arbeiten wurden unter anderem 1957 auf der Interbau in Berlin und 1978 auf der Hamburg-Bau ausgestellt. Allein in Westfalen realisierte Gerhard Hausmann in den 1970er und 1980er Jahren mindestens acht Kunstwerke für staatliche Bauten, darunter Farbgestaltungen für die Amtsgerichte in Brakel, Iserlohn und Lemgo, die Justizvollzugsanstalten in Detmold und Werl sowie die Hochschule in Lemgo.

Weitere Informationen
LinksFotografische Dokumentation von Michael Rasche
Gerhard Hausmann auf Wikipedia
Website des Künstlers
QuellenKunst und Bau 1967–1979. Schriftenreihe des Ministers für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen, Bd. 2. [1980], S. 56–57