Der Bilddichter – Zum 80. Geburtstag von Ferdinand Kriwet
Schon als 16-Jähriger suchte der 1942 in Düsseldorf geborene Ferdinand Kriwet Kontakt zur Literatur- und Kunstszene. Der Galerist Jean-Pierre Wilhelm und die Zero-Künstler Macke, Piene und Uecker zählten bald ebenso zu seinem Bekanntenkreis wie die Schriftsteller Max Bense und Helmut Heißenbüttel sowie weitere Künstler und Intellektuelle. Trotz abgebrochener Schulausbildung und ohne je eine Akademie besucht zu haben, veröffentlichte Kriwet mit 19 sein erstes Buch. Der experimentelle Text „Rotor“ hat keinen Anfang und kein Ende, Wörter und Sätze reihen sich ohne Punkt und Komma aneinander. Er wollte „das Lesen von seiner Linearität befreien“.
Es folgten Sprechtexte fürs Theater und Hörspiele fürs Radio. In Collagen aus Klängen und Zitaten setzte er sich mit der Rezeption von Großereignissen in den Massenmedien auseinander: mit der ersten Mondlandung 1969, dem US-Wahlkampf zwischen Nixon und McGovern 1972 und – als bekennender Fan von Fortuna Düsseldorf – mit Fußballübertragungen.
Neben „Hörtexten“ schuf Kriwet auch „Sehtexte“. Auf seinen „Rundscheiben“ arrangierte er Text in konzentrischen Kreisen und ließ Typografie zum Ornament werden. Später kam Licht als Gestaltungselement hinzu. Inspiriert von leuchtenden Reklameschriftzügen, der „Werbung als Total-Text-Theater“, entstanden Installationen mit Projektionen und Neonlicht.
Die Auseinandersetzung mit Text und Licht prägt auch Kriwets Kunst-und-Bau-Werke. Vor allem in den 1970er Jahren realisierte er sowohl frei künstlerische Projekte als auch angewandte Arbeiten wie Orientierungssysteme für Gebäude und Außenanlagen. Er nahm an Wettbewerben teil, erhielt Direktaufträge und arbeitete eng mit Architekten wie Harald Deilmann sowie Hentrich Petschnigg und Partner zusammen.
Kriwet gestaltete Licht-Text-Wände für das Fernmeldeamt West in Köln und die Spielcasinos in Dortmund-Hohensyburg und Bad Oeynhausen. In Duisburg überzog er die Silotürme der König-Brauerei mit fragmentierter Typografie. Für das Gelände der Fleischfabrik Herta in Herten und für die Düsseldorfer Tonhalle entwarf er Wegweiser. Unter den zahlreichen weiteren Kunst-und-Bau-Projekten für öffentliche und private Bauherrn sind auch seine beiden Arbeiten in der Ruhr-Universität Bochum: die Neon-Installation „Rechts/Links“ und die Textscheiben im Mensagebäude.
1977 und 1983 nahm Ferdinand Kriwet an der Documenta teil. Danach zog er sich weitgehend aus dem Kunstbetrieb zurück, verwirklichte aber noch einen letzten großen Auftrag – ganz ohne Worte: das Landeswappen für den Plenarsaal des neuen Landtags in Düsseldorf, der 1988 eingeweiht wurde. 6 Meter lang und 2,4 Meter hoch bildet die Installation die Stirnwand hinter dem Redepult und den Sitzen des Präsidiums. 3.630 zylindrische Aluminiumstifte, deren obere Schnittflächen in den Landesfarben Rot, Weiß und Grün lackiert sind, setzen sich wie die Pixel einer Rastergrafik zu 13 abstrahierten Darstellungen des NRW-Wappens zusammen.
Im April 2018 veröffentlichte Ferdinand Kriwet sein letztes Buch, die Autobiografie Surium, in der er das Sammelsurium seines Lebens beschrieb. Wenige Monate später, am 17. Dezember 2018, starb er nach einer langjährigen Krebserkrankung.
Quellen:
- Kriwet: Kunst und Architektur, 1981
- Anja Dorn: Youngamblinguy. Texte zur Kunst, Nr. 54, 2004. (abgerufen am 31.07.2022)
- Ferdinand Kriwet. Visuelle Poesie ud ihre Medialität. Hrsg.: Klaus Geroen Beuckers, Hans-Edwin Friedrich. München, 2019
- Kunst im Parlament. Hrsg.: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, o. J.
- Helga Meister: Pionier der offenen Form. RP Online, 26.08.2021 (abgerufen am 31.07.2022)
- Public Art Ruhr
- Wikipedia
- Nachlass Ferdinand Kriwet auf Instagram: @ferdinand.kriwet.estate