01.12.2019
Kunst und Bau – ein Ausdruck lebendiger Baukultur
Ohne Kunst kein Bau! Ein Kommentar von Peter Köddermann, Geschäftsführer Programm von Baukultur Nordrhein-Westfalen
„Die Kunst steht im Weg. Und das soll sie auch“, sagt der Bildhauer Philipp Dreber über die Installation „Loop“, die er gemeinsam mit Elisa Balmaceda und Thomas Schmidt vor dem Neubau des Centrums für Integrierte Onkologie der Uniklinik Köln realisiert hat. Damit meint Dreber nicht nur die räumliche Position der mit drei Metern Höhe kaum übersehbaren Edelstahlschleife auf einem der Hauptfußwege über das Krankenhausgelände. „Wir wollten die Passanten mit unserem Kunstwerk konfrontieren. Uns war es wichtig die Vielschichtigkeit dieses Ortes und die Diversität der Menschen bewusst zu machen“, so Dreber anlässlich der Einweihung des Kunstwerks im September 2020. Die spiegelnde Oberfläche reflektiert die von kadawittfeldarchitektur entworfene farbige Fassade des Ambulanzgebäudes und seine bauliche Umgebung, aber auch die Studierenden, Pflegekräfte, Ärztinnen, Forscher und Patienten, die sich auf dem Campus bewegen.
Die Plastik ist das jüngste von mehr als 20 Kunstwerken, die seit den 1950er Jahren auf dem Kölner Klinikgelände entstanden. Mit fast jedem Neubau wurde eine Skulptur, eine Lichtinstallation oder eine Wandgestaltung realisiert. Auch in den aktuellen Planungen zur architektonischen und städtebaulichen Weiterentwicklung des Campus bleibt Kunst ein fester Bestandteil. Mit diesem konsequenten Vorgehen nimmt die Uniklinik Köln eine Vorreiterrolle in Nordrhein-Westfalen ein.
An den 80 Gebäuden der Uniklinik Köln lässt sich ihre hundertjährige Geschichte ablesen, wenngleich von den gründerzeitlichen Pavillonstrukturen nach starken Kriegszerstörungen nur noch wenig erhalten ist. Nach 1945 zählten der Wiederaufbau und später der Ausbau der Krankenhäuser zu den größten und wichtigsten Projekten des Kölner Hochbauamtes. In den 1950er und 60er Jahren entstanden Neubauten, die das architektonische Bild des Klinikums bis heute prägen. Den stärksten Akzent setzte das Büro Heinle und Wischer von 1970 bis 1974 mit dem 15-geschossigen Bettenhaus, der 1993 bis 1996 durch einen Neubaukomplex ergänzt wurde. Es folgten die Zentralbibliothek für Medizin sowie weitere Gebäude für Forschung, Lehre und die Versorgung von Patient*innen.
Bereits in den 1950er Jahren waren Kunstwerke Teil der architektonischen Planungen. Bis heute wurden mehr als 20 Projekte mit Unterstützung des Kunst-und-Bau-Programm des Landes Nordrhein-Westfalen realisiert. Hinzu kommen private Stiftungen und künstlerische Arbeiten, die gemeinsam mit Studierenden oder Patient*innen umgesetzt wurden. So bildet die Kunst an der Uniklinik Köln ein breites Spektrum verschiedener Stile, Techniken und Materialien ab: vom für die Nachkriegszeit typischen Sgraffito an der Fassade der Augenklinik (Ernst Wille, 1953, Arch. Theodor Teichen) über Skulpturen in Edelstahl oder Beton bis hin zur Lichtinstallationen wie den Leuchtzeichen von Christiane Möbus im Rahmen des Bibliotheksneubaus (1997, Arch. Janofske + Terbüchte).
Die langjährige Tradition von Kunst und Bau setzte sich nach 2001 fort, als die Universitätsklinik als Anstalt des öffentlichen Rechts eine neue Struktur erhielt. Die Planungs- und Bauaufgaben, die zuvor der städtischen Bauverwaltung oblagen, übernahm die im Jahr 2003 neugründete Tochtergesellschaft medfacilities. Seitdem wurden zahlreiche Bestandsbauten saniert und neue Gebäude errichtet, darunter das Herzzentrum mit der Skulptur "Dialog" von Wolfgang Göddertz (2007) und das CECAD-Forschungsgebäude mit einer Lichtinstallation von Yoshiyuki Miura und Frank Vetter (2012/13).
„Die Kunst am Bau bereichert unseren Campus. Die Kunstwerke bieten den Menschen, die hier arbeiten, studieren oder gesunden wollen, ein erhöhtes Maß an Lebens- und Aufenthaltsqualität.“
— Prof. Dr. Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Uniklinik Köln.
„Loop“ und „Leuchtzeichen“ befinden sich auf dem sogenannten Studentenweg, der sich über das gesamte Klinikgelände erstreckt. In Teilen bereits aufgewertet, soll er in den nächsten Jahren als zentrale, rund 1.200 Meter lange Verbindung zwischen dem Lindenthalgürtel, der das Areal im Westen begrenzt, und dem Hauptgebäude der Universität im Osten weiter ausgebaut werden. Neben einheitlicher Asphaltierung, Niveauangleichung und flankierenden Grün- und Freiflächen zählen auch Kunstwerke zum geplanten Konzept.
Wie Perlen an einer Schnur sollen sie sich entlang des stark frequentierten Fuß- und Fahrradweges aufreihen, damit die vielen Mitarbeiter*innen, Studierenden und Patient*innen, die sich täglich auf dem Areal bewegen, die Kunstwerke erleben können. Medfacilities setzt dabei vorwiegend auf Arbeiten, die das Medium Licht integrieren, um eine unterschiedliche Wirkung bei Tag und bei Nacht zu erzielen. 1997 gab es bei der Einweihung der „Leuchtzeichen“ an der Bibliothek noch kritische Stimmen aufgrund der hohen Energiekosten. Heute erlaubt moderne LED-Technik eine wartungsarme und preisgünstige Umsetzung.
Eines der nächsten Projekte entsteht am neuen Forschungsgebäude an der Robert-Koch-Straße, durch das der Studentenweg als Passage führt. Mit der Arbeit „Körpersprache“ wird der Lichtkünstler Detlef Hartung diesen Raum gestalten.
Bei der Auswahl der Künstler*innen setzt medfacilities auf Kunstwettbewerbe, die möglichst früh im Planungsprozess und in Abstimmung mit den entwerfenden Architekt*innen durchgeführt werden. Neben eingeladenen Teilnehmer*innen sollen durch öffentliche Ausschreibungen bewusst auch jüngere und unbekanntere Künstler*innen angesprochen werden. In den Jurys entscheiden Kunstsachverständige und Architekt*innen gemeinsam mit den Nutzervertreter*innen. So werden unterschiedliche Perspektiven abgebildet – von der Pflegedirektorin, die die Belange des Personals und der Patient*innen im Blick hat, über den kunstinteressierten Mediziner, der schon selbst Kunstwerke für seine Klinik finanziert hat, bis zum Betriebsmitarbeiter, der vor allem darauf achtet, dass Pflege und Instandhaltung der Kunstwerke nicht zu aufwändig werden. Joachim Koch, der medfacilities als Berater in den Wettbewerben unterstützt, und Architekt Michael Dannenberg können von vielen engagierten Diskussionen berichten – und von vielen guten Resultaten, die den zusätzlichen Aufwand für die Durchführung der Wettbewerbe gegenüber Direktaufträgen rechtfertigen.
Dass in den Neubauten auch Kunstwerke realisiert werden, ist unter anderem dem Engagement von Prof. Peter Heinen zu verdanken. Für den Geschäftsführer von medfacilities hat gute Gestaltung in allen Bereichen einen hohen Stellenwert, wie er im Gespräch mit Baukultur Nordrhein-Westfalen betont. Statt einer trostlosen, allein auf funktionale Aspekte ausgerichteten Anlage, soll die Uniklinik auch ästhetische Qualitäten aufweisen. Von den einzelnen Stationen bis hin zu den Außenanlagen seien alle Räume „mit Liebe und einer eigenen Handschrift“ gestaltet. „Kunst heilt“, so Heinen, und das nicht nur durch kunsttherapeutische Angebote, bei denen die Patient*innen selbst aktiv werden, sondern auch durch die visuellen Eindrücke auf dem gesamten Klinikgelände. Heinen ist bereits seit 1991 im Klinikbau tätig. Seine langjährigen Erfahrungen und die vielen positiven Rückmeldungen bestätigen ihm, dass eine gut gestaltete Umgebung einen großen Einfluss auf den Heilungsprozess der Patient*innen und auch auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen auf dem Campus hat.
Das bekräftigt auch Ulrike Lörch, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Ein Krankenhaus sei für viele erst einmal mit Angst und Ablehnung verbunden. Die Kunst könne bewusst dagegenhalten, indem sie andere Stimmungen erzeuge. Um die Werke noch intensiver erlebbar und erfahrbar zu machen, bietet die Uniklinik unterschiedliche Vermittlungsformate, wie eine Broschüre, Führungen und einen interaktiven Lageplan mit Informationen zur Kunst an. Dabei geht es gar nicht darum, alles zu erklären, sondern zu einer eigenen Auseinandersetzung anzuregen, so wie auch die Kunst selbst Denkanstöße liefern kann.
Während Kunst andernorts gerne auch einmal provozieren und irritieren darf, ist im Klinikkontext Sensibilität gefragt. Scharfe und spitze Formen, die aggressiv wirken und an Spritzen oder Skalpelle erinnern, sind ebenso kritisch wie die Themen Tod und Vergänglichkeit. Die Kunst soll keine zusätzlichen Ängste und Sorgen schüren.
Neben den üblichen bau- und planungsrechtlichen sowie betriebsrelevanten Vorgaben spielen bei Kunstwerken in Krankenhäusern Barrierefreiheit und Hygiene eine besondere Rolle. Wasserspiele etwa sind aufgrund einer möglichen Bakterienbelastung problematisch. „Ein Klinikum stellt andere Anforderungen an Künstler als ein Internetkonzern“, erklärt Michael Dannenberg. Dennoch ist ihm wichtig, dass Sterilität, Funktionalität und Effizienz, die für optimierte Abläufe in vielen medizinischen Bereichen erforderlich sind, nicht für die Kunst gelten müssen. Sie dürfe vielmehr ein Gegengewicht bilden und zum Innehalten einladen.
(1): Ministerium für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MSWKS NRW) (Hrsg.): Kunst und Bau 1986-1997. Düsseldorf, 2001, S. 18
Ernst Wille: Hauszeichen, Augenklinik
Kurt Lehmann: Aphrodite, HNO-Klinik
Wolfgang Göddertz: Dialog, Herzzentrum
Christiane Möbus: Leuchtzeichen, ZB Med
Yoshiyuki Miura, Frank Vetter: Lichtinstallation, CECAD
Philipp Dreber, Elisa Balmaceda, Thomas Schmidt: Loop, CIO
Heike Weber: Utopia, Universitätsklinikum Düsseldorf
Camill Leberer: Wandgestaltung, Herzzentrum Essen
Karl Hartung: Der Heilende, der Geheilte, der Kranke, Paracelsus-Klinik Marl